Homologietheorie

Homologietheorie
Homologietheorie,
 
Mathematik: ein Teilgebiet der algebraischen Topologie. In der Homologietheorie ordnet man topologischen Räumen abelsche Gruppen so zu, dass homöomorphen Räumen isomorphe Gruppen entsprechen. Dadurch lassen sich topologische Eigenschaften der Räume durch algebraische Eigenschaften der zugehörigen Homologiegruppen ausdrücken.
 
Die simpliziale Homologietheorie geht aus von den simplizialen Zerlegungen topologischer Räume (z. B. der Triangulation einer Fläche im dreidimensionalen euklidischen Raum). Dabei ist ein nulldimensionales Simplex s0 ein Punkt, ein eindimensionales s1 eine gerichtete Strecke, ein zweidimensionales s2 ein orientiertes Dreieck usw. Eine beliebige Menge von Simplexen ist ein Komplex. Mit den in einem Komplex auftretenden Simplexen sqi der Dimension q und mit ganzen rationalen Zahlen gi lassen sich formale Summen
 
bilden, die q-Ketten genannt werden. Definiert man die Summe zweier q-Ketten durch die Addition einander entsprechender Koeffizienten gi, so bilden diese q-Ketten eine abelsche Gruppe Cq. Der Rand einer von s10 nach s20 gerichteten Strecke s11 ist die 0-Kette
 
Analog ist der Rand des orientierten Dreiecks s21 die 1-Kette ds12 = s11 + s21 + s31. Allgemeiner definiert man den Rand dcq der q-Kette cq als die (q — 1)-Kette
 
Man kann beweisen, dass die nochmalige Anwendung der Randbildung auf das 0-Element der Gruppe Cq führt, d. h., dass ddcq = 0 für alle q-Ketten cq ist. Diejenigen q-Ketten, deren Rand 0 ist, werden als Zykeln bezeichnet. Sie bilden eine Untergruppe Zq der Gruppe Cq. Diejenigen q-Ketten, die den Rand einer (q + 1)-Kette bilden, nennt man Ränder. Sie bilden eine Untergruppe Bq der Gruppe der q-Zykeln Zq. Die Faktorgruppe Hq = Zq / Bq (Faktorgruppe) ist die q-te Homologiegruppe. In der Homologiegruppe werden also homologe Zykeln miteinander identifiziert. Man kann zeigen, dass die algebraische Struktur dieser Gruppen für 0, 1, 2,. .. unabhängig von der genügend feinen simplizialen Approximation des topologischen Raumes und für zwei Räume gleicher topologischer Struktur dieselbe ist.
 
Eine modernere Fassung ist die singuläre Homologietheorie, die nicht mehr mit simplizialen Approximationen arbeitet, sondern mit allgemeiner definierten Kettenkomplexen. Die axiomatische Charakterisierung der Homologie (1945) hat viele weitere Beispiele für Homologietheorien ermöglicht. - Dual zur Homologietheorie gelangt man zur Co-Homologietheorie, indem man als q-Co-Kette cq einen Homomorphismus cq der Gruppe Cq der q-Ketten in die additive Gruppe der ganzen rationalen Zahlen definiert und eine Co-Randbildung einführt.
 
Der Homologiebegriff geht auf H. Poincaré (1895) zurück, der auch die simpliziale Homologietheorie entwickelt hat. Die singuläre Homologietheorie entstand ab 1935.
 
 
M. Bollinger: Geschichtl. Entwicklung des Homologiebegriffs, in: Archive for history of exact sciences, Jg. 9 (Berlin 1972);
 E. Ossa: Topologie (1992).

Universal-Lexikon. 2012.

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